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Bei den Delphinen

von Key Largo

Der sogenannte Zufall bescherte mir auf dem Weg nach Peru, einen kurzen Aufenthalt in Miami. Ich wußte bereits von Freunden, daß es in Florida mehrere Möglichkeiten gibt, Delphine hautnah zu erleben und wollte daher diese Gelegenheit in jedem Fall nutzen, um mir damit einen meiner Träume zu erfüllen, Auge in Auge mit einem Delphin zu schwimmen. Aber zuerst mußte ich im Internet surfen, um an entsprechende Adressen heranzukommen. Es dauerte nicht lange und ich landete auf der Homepage von Dolphin Plus, einem Zentrum im Norden der Key Inseln, eine Stunde von Miami entfernt. Hier wurde, so versprach die Seite mit Text und Bildern, "strukturiertes und unstrukturiertes" Schwimmen mit Delphinen angeboten. Für 85 $ (mittlerweile 150$) kann man nach gründlicher Einführung eine halbe Stunde frei mit fünf Delphinen in einem abgegrenzten Bereich schwimmen. Ich bin fasziniert von der garantierten und doch offenen Gelegenheit, so nahe mit Delphinen sein zu können und melde mich zusammen mit einem Freund per e-mail für die nächste Woche an.

Im sonnigen Miami angekommen, besuchen wir zuerst das Seaquarium, um uns auch mal eine von diesen umstrittenen Delphin- und Orka-Shows anzusehen. Ich wollte mich selbst überzeugen und jede Gelegenheit nutzen, Wale und Delphine aus der Nähe zu erleben.

Von außen macht das Seaquarium den Eindruck eines Vergnügungsparkes: Hamburger, Hotdogs, Popcorn und Cola. American Fastfood auch im ersten Gebäude. Völlig unvermittelt komme ich in einen dunklen, runden Raum mit Unterwasserfenstern ins Delphinbecken. Fünf senkrecht im Wasser "stehende" Delphine zeigen mir ihre Unterseite, die Köpfe alle dem Trainer zugewandt. Die Show hat schon begonnen. Während ich noch über die dynamischen großen Leiber staune, setzen sich zwei von ihnen in Bewegung, schießen an mir vorbei und machen einen gewaltigen synchronen Sprung außerhalb des Wassers. Das Kind in mir ist begeistert, alle Sinne hellwach.

Ich begebe mich einen Stock höher und sehe direkt die fünf "Wasserclowns" nickend auf die nächsten Befehle des Trainers warten. Ganz unscheinbare Gesten lassen die Delphine alle möglichen Kunststücke ausführen, die durch ein Trillerpfeifensignal beendet und sofort mit ei-nem Fisch belohnt werden. Das kreisrunde Becken, das vielleicht einen Durchmesser von maximal 30 m und eine Tiefe von 5 m hat, ist umgeben von etwa hundert Zuschauern mit leuchtenden Augen, an die Hälfte Kinder, die genauso begeistert und verzückt wie ich dem spielerischen Dialog zwischen Trainer und Meeressäugern zusehen. Meinen kritischen Teil lasse ich erst mal außen vor, das innere Kind ist einfach nur glücklich, diese wunderbaren scheinbar immer lächelnden Tiere so unmittelbar vor mir zu haben.

Die Show ist relativ schnell vorbei, den Delphinen werden Bälle zum spielen zugeworfen und der Großteil der Menge verläuft sich. Ich stehe noch etwa 20 Minuten sprachlos staunend an der Reling und vergesse Raum und Zeit um mich. Dann gehe ich noch mal zu den Unterwasserfenstern. Da sie immer zu grinsen scheinen, kann man als Laie schlecht feststellen, ob sie über ihr Dasein unglücklich sind oder nicht. Mein Kopf und Kritiker sagt natürlich, daß diese Unterbringung nicht artgerecht sein kann und die Kunststückchen eines so intelligenten Tieres unwürdig. Ein Delphin könnte natürlich argumentieren, daß er die Menschen konditio-niert hat, ihm für ein paar spielerische Gefälligkeiten jedesmal ein paar der begehrenswerten Fische mundgerecht zu servieren. Im Dolphin Research Center, wo ich später noch hinkommen werde, überraschen die Delphine die Trainer immer wieder mit neuen Kunststücken, die sie quasi selbst erfunden haben - natürlich gibts dann immer extra Lob und Fisch.

Ich entschließe mich, erst mal noch kein Urteil zu fällen und mir den Rest des Parkes und der Shows anzusehen. Alligatoren, Schildkröten, Pyranias, Haie, Pelikane und Flamingos sind weitere Attraktionen des kleinen, aber doch gut fünf Stunden füllenden Parkes. Ich habe kaum Zeit dies alles zu würdigen, weil ich bereits das nächste Highlight ansteht: die Killerwal-Show. Nie zuvor habe ich live so ein großes Lebewese in Aktion gesehen. Die Show mit diesem schönen kraftvollen Tiger der Meere ist beeindruckend, vor allem, daß ein kleiner Mensch so ein großes Tier anleitet und kommandiert.

Es folgt noch eine Flippershow in einem etwas größeren Becken mit 4 Delphinen, die noch mehr auf akrobatische Interaktion und gemeinsame Kunststücke ausgelegt ist. Noch lange nach dem das Publikum abgewandert ist sitze ich am Beckenrand, rede mit einer noch sehr jungen Trainerin und beobachte und schaue dem Training zu. Die Beziehung zwischen Mensch und Tier wirkt sehr harmonisch, liebevoll und spielerisch, auch wenn die Belohnungsfische dabei eine sehr große Rolle spielen. Aber ich mache mir nichts vor: Wasserparks wie Seaworld und das Seaquarium sind kommerzielle Unternehmen und keine Tierschutzorganistionen. Trotzdem tragen sie paradoxerweise sehr dazu bei, ein Herz für diese wunderbaren Lebewesen zu wecken. Sogesehen werden einige einzelne Tiere "geopfert" (oder opfern sich), um mehr Verständnis für eine ganze Art zu entwickeln.

Außerdem sind alle in solchen Aquarien lebenden Tiere bereits in Gefangenschaft geboren und kennen die Weiten des Meeres nicht (mehr). Aber eine leichte Traurigkeit über diesen begrenzten unnatürlichen Lebensraum mischt sich dennoch unter mein ansonsten sehr erfülltes und dankbares Grundgefühl.

Copyright David LuczynAm darauffolgenden Tag fahren wir mit dem Mietwagen Richtung Süden nach Key Largo. Eine knappe Stunde dauert diese Fahrt, bis wir über eine Landbrücke dieses fast karibisch anmutende Feriengebiet erreichen. Das Dolphin Plus Center ist schnell gefunden. Auf dem Weg dorthin sahen wir schon ein großes Schild "Encounter with dolphins". Dolphin Plus liegt an einem Kanal, also nicht am offenen Meer. Eine ältere Frau begrüßt uns in deutsch. Aus Wiesbaden stammt sie. Mit ihrem Mann einem Amerikaner hat sie dieses Zentrum aufgebaut, daß schon seit einiger Zeit auch in Deutschland durch entsprechende TV- und Zeitungsberichte für seine Delphintherapie mit körperlich und geistig behinderten Kindern bekannt ist.

Zwei deutsche Praktikantinnnen arbeiten seit dem auch hier, zwecks Betreuung und Übersetzung. Mittlerweile sind sie so erfolgreich ausgebucht, daß sie noch ein zweites Zentrum auf der anderen Küstenseite eröffnet haben.

Ein Dutzend Leute wartet auf die Einweisung und wir reihen uns nach den Anmeldeformalitäten in die Warteschlange ein. Wir werden in 2 Gruppen aufgeteilt, die strukturierte und die unstrukturierte. Vorerst kann ich mir unter der strukturierten nichts vorstellen, aber das wird sich bald ändern. Sechs von uns folgen Nancy, einer jungen symphatischen Trainerin in den Unterrichtsraum. Nancy erzählt uns Allgemeines über Delphine, ihre Biologie und ihr Verhalten und Konkretes über die Delphine, die wir gleich persönlich erleben werden. Manches ist bekannt manches auch für mich neu. Das Delphine primär mit ihrem Sonar wahrnehmen ist klar, daß sie uns damit aber regelrecht durchleuchten und Krankheiten, Embryos, Geschwüre und unser schlagendes Herz "sehen" können, war mir neu. Natürlich spüren sie auch unsere Gefühle und Ängste. Besonders fühlen sie sich zu Schwangeren, Kranken und zu Kindern, vor allem Mädchen, hingezogen, erläutert Nancy und beglückwünscht eine 13 jährige Teilnehmerin, die noch nicht weiß, ob sie sich darüber freuen soll oder nicht.

Weiterhin erfahren wir, daß Delphine einen Blickwinkel von 173° haben, aber gerade vorne haben sie ihren blinden Flecken. Es ist also nicht empfehlenswert, ihnen von vorne zu begegnen, sondern eher seitlich. Da sie aber sowieso die schnelleren sind, ist es eigentlich kein Thema. Im Prinzip, so Nancy, sind wir für die Delphine wie lebendiges Spielzeug, das sie vergnügt und neugierig umschwimmen. Wa sie jedoch sehr ernst nehmen, sind unsere für sie wild und aggressiv herumrudernden Arme und Beine, wenn wir schwimmen. Die mögen sie gar nicht. Aus ihrer Sicht und Physiognomie ist das etwas völlig Unnatürliches und Bedrohliches. Daher empfiehlt uns Nancy, die Arme am Körper anzulegen, wenn wir schnorcheln und keine hektischen Bewegungen zu machen. Je ruhiger und fließender wir uns bewegen, umso besser. In jedem Fall sollen wir nichts forcieren und die Delphine auf uns zukommen lassen.

Mittlerweile können wir es alle kaum noch erwarten und so stellt uns Nancy zuletzt noch die Delphine und ihre Gruppenstruktur vor. Es sind vier Weibchen mit Namen Isla, Jessica, Senal und Samantha, alle zwische 8 und 12 Jahre alt. Isla ist die größte und der Boss. Bob, daß einzige männliche Exemplar ist ganz unten in der Hierarchie und aus diesem Grunde deutlich an seinen Kratzspuren zu erkennen.

Bestens eingestimmt und voller Tatendrang begeben wir uns in die warme Sonne Floridas zu dem durch Maschedrahtzaun abgetrennten Becken. Diese sind erschreckend klein und es gibt vier davon. In gerade 20 x 20 m schwimmen unsere 5 Delphine stätig im Kreis herum. Die ersten sechs von uns machen sich fertig zum Abtauchen. Wir gehören zur zweiten Gruppe, die erst mal nur beobachtet. Im Vergleich zu den unbeholfenen Schwimmern umkreisen die Delphine diese in fast rasanter Geschwindigkeit. Manchmal schwimmen sie kurz neben einem der Schwimmer her, unter ihm durch oder direkt vor seiner Nase vorbei. Es sieht schon merkwürdig aus von oben. Wie hilflose Kaulquappen paddeln die Menschen suchend herum und sind deutlich die Unterlegenen in diesem Element.

Die halbe Stunde ist schnell vorüber und wir sind an der Reihe. Auf einem beweglichen Podest werden wir heruntergelassen und tauchen ins warme Wasser ein. Eine erwartungsvolle Aufregung durchflutet mich, während ich mich langsam in Bewegung setze.Das Wasser ist nicht besonders klar und so beträgt die Sicht höchstens 3-4 m. Aber schon sind sie da - und gleich wieder weg. Der Versuch ihnen nachzuschwimmen ist völlig aussichtslos, man kann sich nur überraschen lassen. Ich begebe mich in eine Ecke an der sie immer vorbeikommen und tauche ab. In dem Moment kommt Bob fast von vorne auf mich zu geschossen und bevor ich reagieren kann, ist er auch schon unter mir durchgetaucht. Gleichzeitig sausen zwei andere über mir vorbei. Mehrfach denke ich, jetzt stoßen wir zusammen oder zumindestens berühren wir uns, aber nichts dergleichen passiert.

Langsam wird ihre Geschwindigkeit mäßiger und ich höre zum ersten Mal das Klicken ihres Sonars - eigenartig, aber nicht unangenehm. Plötzlich sind wieder 2 Delphine etwa einen Meter direkt neben mir. Neugieriges gegenseitiges Mustern, ein erster Augenkontakt - sprachlose Momente der Faszination. Mehrfach schwimmen sie nun knapp 40 cm neben, unter oder über mir vorbei. Als ich die bunte Unterwasserkamera raushole und beginne Fotos zu machen, werden sie neugierig und sind noch öfters in meiner Nähe. Sie scheinen regelrecht zu posieren. Aber am häufigsten halten sie sich tatsächlich bei der 13jährigen Lisa auf, die alle Scheu abgelegt hat und restlos glücklich ist. Ein schöner Anblick. Auch unsere halbe Stunde ist schnell vorbei - es reicht auch, jedenfalls unter diesen Bedingungen.

Wieder am Beckenrand stehend denke ich: "Da würde ich gerne mal alleine drinnen sein". Zu hektisch und unruhig war alles, zu aufgewühlt und trübe das Wasser. Zu sehr auf "Kontakt haben wollen" war alles ausgerichtet. Ein entspanntes Dasein und Einanderkennenlernen war so nicht möglich. Trotzdem bin ich für diesen "Einstieg" dankbar. Es war schon sehr viel mehr als ich auf einem einwöchigen Delphinsegeltörn vor Gomerra erlebt habe, wo wir Delphine nur kurz vom Boot aus zu sehen bekamen.

Wir dürfen noch bei der strukturierten Gruppe, die jetzt im Nachbarbecken beginnt, zusehen. Hier ist alles anders. Dressierte Delphine machen auf Befehl des Trainers Kunststücke, in die die Teilnehmer miteinbezogen sind: sie geben ihnen die Flossen, lassen sich streicheln, geben Küsschen, ziehen zu zweit eine Person durchs Wasser oder schubsen sie an den Fußsohlen im Kreis herum. Nachdem auch dieses "Spektakel" vorbei ist, bleiben mein Freund und ich noch eine Weile bei den Becken sitzen und lassen unsere Erfahrung nachwirken. Irgendwie habe ich das Gefühl beobachtet zu werden und tatsächlich: ganz still haben sich die zwei Delphine, die zur Therapie eingesetzt werden, uns genähert und betrachten uns aufmerksam mit dem Kopf seitlich aus dem Wasser schauend. Wir spüren beide gleich, daß diese beiden ganz anders drauf sind, denn im Gegensatz zu den anderen zeigen sie auch ausserhalb des Wassers direktes Interesse an uns. Sie schwimmen ganz nahe an uns heran und beobachten uns intensiv. Sie nehmen direkt Augenkontakt auf und berühren uns damit direkt im Herzen. Mir kommen die Tränen, ich bin still und ganz zentriert. Fast zehn Minuten dauert dieser zarte wortlose Dialog bis eine der Trainerinnen mit einem Eimer Fische auftaucht und beginnt, diese beiden zu füttern. Während sie das tut, redet sie ununterbrochen mit ihnen und erhält auch durch Gesten und Töne Antwort. Ein faszinierender Anblick. Gerne würde ich mit ihr tauschen. Aber so entscheide ich mich irgendwann wiederzukommen, um mehr von diesen so menschlichen und irgendwie so seltsam vertrauten Wesen zu lernen.

David Luczyn, 11 643 Z.

PS. Nach einem 2. Besuch in Florida und den häufigen Fragen von Surfern, folgender Hinweis:

Sehr empfehlen kann ich www.dolphins.org. es ist zwar nicht billig aber nicht so kommerziell aufgezogen und eng wie dolphin.plus. "Theater of the sea", ist eine Art kleiner Wassertierzoo an einer Lagune, wo die Tiere Platz haben. Da ist es relativ günstig, aber auch nur ein kurzes Programm. beide sind in den Florida Keys. Bei Google nach "dolphin swim Florida keys" suchen und ihr werdet reichlich fündig werden.

Unter www.delphin-institut.de gibt es bei "shop" eine Liste vieler weltweiter Schwimmmöglichkeiten mit freien Delphinen!


Delfin-Patenschaften

Sie heißen „Shine“, „Kuka“ oder „Der Spaßmacher“ und leben in den Gewässern vor Peru, Kroatien und bei La Gomera (Kanarische Inseln). Diese Delfine werden einander nie begegnen und teilen doch ein Schicksal:
Ohne die Hilfe mitfühlender Menschen werden sie und ihre Artgenossen nicht überleben. Mit einer Delfin-Patenschaft kann man sich direkt für den Schutz dieser Delfine einsetzen oder jemanden mit einem außergewöhnlichen Geschenk überraschen. Eine Patenschaft kostet 50 Euro im Jahr. Sie ist steuerlich als Spende absetzbar und kann jederzeit ohne Begründung gekündigt werden.

Alle Paten erhalten:
> eine Urkunde
> ein Foto und Information über den Paten-Delfin
> Hintergrundinformationen zum jeweiligen Schutzprojekt
> das GRD-Vereinsjournal „Delphinpost“ (4x im Jahr frei Haus)
> einen schönen Delfin-Aufkleber und ein Delfin-Armband

Weitere Infos und wie Sie sonst noch den Delfinen helfen können unter www.delphinschutz.org

Spendentelefon: 0900-500 445 00 23
4 € pro Anruf zzg. 14 Cent Verbindungskosten

 

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